Ein Morbus Addison muss durch den ACTH-Test (und ggfs. Messung des körpereigenen ACTH) nachgewiesen werden, um sauber diagnostiziert zu sein. Wurde bereits Cortison verabreicht, ist der Test nicht aussagefähig. Allerdings sind nicht alle vorzeitigen Cortisongaben gleich zu beurteilen.

So schrieb uns Frau Prof. Dr. med. Nadja Sieber-Ruckstuhl, Leiterin Endokrinologie und Oberärztin an der Klinik für Kleintiermedizin der Universität Zürich zur Beurteilung, ob und wann ein Test aussagefähig ist:

„Wie lange die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse durch eine Gabe von Glucocorticoiden (GC) unterdrückt ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören:

  • Art des GC (langwirksam, kurzwirksam), Potenz des GC, Dosis, Länge der Gabe, individuelle Empfindlichkeit des Hundes. Klar ist, war es eine sehr kurzfristige Gabe, mit einem kurzwirksamen Präparat, in einer normalen Dosis, wird sich die Achse schneller erholen, als wenn es eine längere Gabe, ein Depot-Präparat oder eine sehr hohe Dosis war.
  • Zudem gibt es neben der Unterdrückung der Achse auch noch GC, welche direkt mit gewissen Messmethoden interferieren (das heisst, wird z.B. am Morgen vor der Blutentnahme Prednisolon gespritzt oder als Tablette gegeben, kann der Blutspiegel des Medikaments mit der Messmethode interferieren und zu falsch hohen werten führen. Das Medikament im Blut wird dann von der Messmethode als «Cortisol» erkannt).
  • Dexamethason interferiert nicht mit den üblichen Messmethode. Wenn also ein Tierarzt einen Patienten mit vermutetem MA hat und er möchte zur Bestätigung einen ACTH Stimulationstest durchführen, denkt aber der Hund ist so instabil, dass er keine 1-2h nur mit Infusionstherapie überlebt, kann er zu diesem Zeitpunkt eine Dosis Dexamethason zur Stabilisierung verabreichen und dann den Test innerhalb der nächsten 6 Stunden durchführen.

Nach diesen 6 Stunden, wird aber eine Beeinflussung der Stimulation durch Dexamethason zu erwarten sein.

  • Bei einer länger-bestandenen GC Therapie (egal ob als Tabletten, Tropfen, Crème oder Inhalation) empfehlen wir generell 6 Wochen zu warten. Je nach Präparat, Dosis, Dauer der Therapie und Empfindlichkeit des Tieres, können aber auch 3 Wochen schon genug sein, damit sich die Achse erholt hat. Sollte die Stimulation nach z.B. 2-3 Wochen im Graubereich (d.h. stimulierter Wert < 5 ug/dl oder < 138 nmol/l) sein, wäre sicher die Empfehlung nochmals 3-4 Wochen zu warten und dann nochmals zu testen.

Immer gilt bei diesen Fällen:

  • Wenn ich stimuliere und die Stimulation ist normal (> 5 ug/dl /> 138 nmol/l) kann ich einen MA ausschliessen.
  • Ist die Stimulation aber im Graubereich, der Hund aber ohne GC Präparate fit, sollte man ca. alle 3-4 Wo einen ACTH-Stimulations Test machen, bis sich die Achse wieder normalisiert hat.“ Stand: 03/2023

 

Das bedeutet für die Praxis:

1.) auf der sicheren Seite ist man immer dann, wenn man sechs Wochen nach einer Cortisongabe mit dem Test wartet.

2.) Sobald <6 Wochen getestet wird und der Test im "Graubereich" ist muss man nach 3 bis 4 Wochen  nochmal nachtesten, um wirklich sicher zu sein.

3.) Bei mehr als 6 Stunden nach Dexamethasongabe wird eine Beeinflussung der Stimulation durch Dexamethason zu erwarten sein. Was bedeutet, dass,- wenn der Test 24 Std nach Dexamethasongabe durchgeführt wird und sich ein stimulierter Wert <5 ug/dl ergibt, dieser als möglicherweise falsch "postiv getestet" erweisen kann, weil er eben doch durch Dexamethason beeinflusst ist.

 

 

• Unsere Morbus Addison-Hunde können das körpereigene Hormon Cortisol nicht mehr produzieren. Cortisol ist aber wichtig; es hat neben der Energiestoffwechsel regelnden Funktion auch die Funktion als ein wichtiges Stresshormon und beeinflusst unter anderem den Blutdruck.  Daher müssen unsere Hunde in besonderen Ausnahmesituationen mehr Kortison von außen zugeführt bekommen, als sie es im „normalen“ Alltag benötigen. Solche Situationen sind aber nicht nur die, die wir Menschen mit „Stress“ verbinden. Es erscheint jedermann einleuchtend, dass die Silvesterknallerei, ein heftiges Gewitter, eine Operation, neue und ungewohnte Situationen und Umgebungen und Ähnliches mehr für den Körper stressig sind. Für unsere Hunde können aber auch freudige Anlässe, wie zum Beispiel eine Urlaubsreise, viel lieber Besuch im Haus, langes, lebhaftes und ausgiebiges Toben und Spielen mit Hundekumpeln, ausgedehnte Wanderungen, sportliche Aktivitäten und Ähnliches mehr Stress bedeuten. Daher ist eine gute Beobachtung des Addison-Hundes oberste Pflicht, um im Zweifelsfall rasch zusätzlich benötigtes Kortison zuzuführen. Man spricht dann von einem „Boost“, einer einmaligen, zusätzlichen (meist oralen) Gabe von Kortison. Die kann und darf je nach Ausprägung des Stressmoments auch durchaus das 10-fache der Tagesdosis beinhalten (z.B. in einer Operation), übliche Dosen sind Verdoppelung bis Verdreifachung der Tagesdosis. Die Wirkung eines „Boost“ tritt rasch (binnen 30 Minuten) ein und kann durchaus auch noch im Nachgang zu einem stressigen Erlebnis (z.B. einer Beisserei mit Artgenossen) erfolgen, um Schlimmeres zu verhindern. Daher empfehlen wir allen Haltern eines Morbus Addison-Hundes, immer und zu jeder Zeit eine zusätzliche Menge Kortison mit sich zu führen (z.B. in einer wasserdichten Kapsel an Halsband, Geschirr oder Leine). Ein einmaliger „Boost“ muss auch nicht ausgeschlichen werden, sondern es erfolgt nach Beendigung der stressigen Situation einfach die weitere Gabe der regulären Medikation. Und im Zweifelsfall gilt: lieber „boosten“, als warten! Die Unterversorgung mit Kortison ist schlimmer als die einmalige Überversorgung!

• Kortison ist lichtempfindlich, es sollte daher immer im Dunkeln (Umverpackung) aufbewahrt werden. Man kann es in Wasser auflösen, muss es dann aber binnen 10 Minuten verabreichen.

• Kortison darf niemals auf nüchternen Magen verabreicht werden, da es zu schweren Schädigungen der Magenschleimhaut führen kann. Bei Nassfütterung kann es im Anschluss an die Futteraufnahme gegeben werden, bei Trockenfutter erst eine halbe Stunde nach der Aufnahme der  Mahlzeit.

• Unsere Hunde benötigen keine spezielle Diät oder Futterform. Erlaubt ist, was schmeckt, gesund und ausgewogen ist und allgemein als „hundeverträglich“ gilt.

• Eine Einschränkung hinsichtlich zusätzlicher Medikamente gibt es aber. Hunde mit Morbus Addison dürfen den Wirkstoff  Meloxicam als Schmerzmittel nicht bekommen, auch Präparate der sogenannten NSAIDs sind tabu. Stattdessen kann man z.B. Novalgin geben. Es macht Sinn, bei einer eventuellen zusätzlich benötigten Medikation den Tierarzt nochmals auf dem Morbus Addison hinzuweisen.

• Um auch in außergewöhnlichen Situationen wie Urlaub oder Ortswechsel gut präpariert zu sein empfehlen wir, sich immer alle Blut- und Diagnosebefunde aushändigen zu lassen und den Krankheitsverlauf des Hundes in einem Ordner chronologisch sowie inhaltlich gut geordnet aufzubewahren und samt der eventuellen Medikamentenänderungen ausführlich zu dokumentieren. Diesen Ordner kann man in den
außergewöhnlichen Situationen immer mit sich führen. So kann sich im Bedarfsfall ein behandlungsfremder Tierarzt schnell einen guten Überblick darüber verschaffen, wie der Verlauf ist und gewinnt an Handlungssicherheit, die am Ende unseren Hunden zugutekommt.

• Bein Morbus Addison handelt es sich um eine seltene endokrinologische Erkrankung, die mancher Tierarzt nur als kurze theoretische Abhandlung aus seinem Studium kennt. Darüber hinaus sind praktizierende Tierärzte/Tierärztinnen auch mit einer Fülle von verschiedenen Tierarten und deren manchmal sehr speziellen Erkrankungen konfrontiert. Es darf also von uns nicht erwartet werden, dass alle Tierärzte/Tierärztinnen sofort im Bilde sind, was ein Morbus Addison ist und wie er behandelt wird. Insofern kommt uns als Halter*innen eine besondere Bedeutung in der erfolgreichen Behandlung zu. Hier sind manchmal Selbstbewusstsein und unser eigenes Wissen um die Erkrankung unseres Hundes nicht zu unterschätzende Faktoren. Es hilft daher, sich selbst gut zu informieren und eventuell auch geeignete Fachliteratur zu übergeben, um dem Tierarzt / der Tierärztin „auf die Sprünge“ zu helfen. Daher hier noch einmal der Appell, sich unserer Facebook-Gruppe anzuschließen, um dort im Bedarfsfall auch Rat und Unterstützung in der Handhabung dieses besonderen Behandlungsfalles zu erhalten.