Unter dem Namen „Percorten®-V“ war in den USA und der Schweiz schon lange ein synthetisches Depot-Mineralokortikoid zugelassen. Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde „Zycortal®“ für den deutschen Markt zugelassen. Zycortal® ist eine Depot-Injektion, die etwa einmal monatlich verabreicht wird. Es enthält den Wirkstoff Desoxycortonpivalat (DOCP). Durch die Depotwirkung kann das Mineralokortikoid feiner auf den individuellen Bedarf des Hundes eingestellt werden und muss nicht täglich verabreicht werden. Der Körper „bedient“ sich sozusagen selbst an dem bereitgestellten Medikament. Der gleichzeitig bestehende Glukokortikoid-Mangel wird immer mit einer oralen Gabe von Glukokortikoid nach Bedarf des Hundes ausgeglichen.
 
Die Zulassung von Zycortal® für den deutschen Markt hat aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der Therapie für Morbus Addison- Hunde entscheidend verändert: 

Durch die sogenannte  Kaskadenregel sind Tierärzte/Tierärztinnen gesetzlich verpflichtet, bei der Behandlung eines bestimmten Krankheitsbildes bei einer bestimmten Tierart immer das pharmazeutische Produkt zu verwenden, welches genau für diese Krankheit bei genau dieser Tierart offiziell zugelassen ist. Vor Zycortal® gab es keine Alternative zu den Mineralkortikoid-Tabletten aus der Humanmedizin, so dass deren Anwendung im Rahmen des TherapieNotstandes gestattet war.  Nun aber ist ein neu diagnostizierter primär typischer Morbus Addison-Hund rechtlich bindend mit Zycortal®-Injektionen zu behandeln.  Allenfalls bei Alt-Patienten, die gut auf die Mineralokortikoid-Tabletten aus der Humanmedizin eingestellt sind, kann vielleicht eine fortgesetzte Verschreibung des Human-Medikaments erfolgen. Es mag gute Gründe geben, auch neu diagnostizierte Hunde mit Fludrocortison statt Desoxycortonpivalat zu therapieren. Die Argumentation liegt in der Verantwortung des Tierarztes/der Tierärztin. Das Wunschrecht der Tierhalter spielt an dieser Stelle keine Rolle.
 
Wie wird ein Morbus Addison-Hund auf Zycortal® eingestellt?

Soll bei der Erstdiagnose gleich auf Zycortal® eingestellt werden, so empfiehlt die Morbus Addison-Gruppe aufgrund ihrer gemachten Erfahrungen folgende Vorgehensweise: Wichtig: Lediglich die erste Dosis (Startdosis) bestimmt sich nach dem Körpergewicht des Hundes.

Endokrinologen in Europa und in den USA bevorzugen ein konstantes Intervall bei entsprechender Anpassung der Dosis.  Daher liegt diesem Schema ein 28- Tage-Rhythmus (= vier Wochen) zugrunde.

Tag 1: Der Hersteller empfiehlt eine Initialdosis von 2,2mg/kg Zycortal®. In unserer Gruppe orientieren wir uns an den langjährigen Erfahrungen der amerikanischen Canine Addison’s Resources & Education (CARE) mit Percorten®-V, dass wie Zycortal® ein Desoxycortonpivalat(DOCP) ist. Sie wenden eine niedrigere Initialdosis (1,00 mg/kg bis 1,65mg/kg) an. Die von CARE gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass die Herstellerangaben regelmäßig dazu geführt haben, dass das Depot der Hunde „über aufgefüllt“ wurde und es viel länger dauerte, zur richtigen Erhaltungsdosis zu gelangen. Die niedrigere Einstiegsdosierung findet inzwischen auch bei uns in Europa Eingang in Lehre und Forschung, vgl. http://docplayer.org/69501003-Klinik-fuer-kleintiermedizinmorbus-addison-herausforderungen-bei-der-diagnose-und-therapie.html, Folie 40, zuletzt aufgerufen am 25.08.2018)

Zusätzlich zum Zycortal® wird dem Hund auch das Glukokortikoid täglich verabreicht. Die Dosis liegt nach gerade überstandener Krise bei bis zu 1 mg/kg Körpergewicht (Cushing-Grenze) und wird dann zügig (nach einem erprobtem Schema) auf etwa 0,05 mg/kg bis 0,1 mg/kg reduziert. Wichtig für die Zieldosis ist immer das subjektive Wohlbefinden des Hundes, daher sind auch Gaben von 0,2 mg/kg oder höher möglich.

Tag 10: Blutabnahme der Elektrolyte (Natrium- und Kaliumwert) zur Kontrolle, ob das Zycortal® wirksam ist (Maximalwirkung). Der Natrium-Kalium-Quotient ist jetzt irrelevant für die Therapie. Beide Werte sollen sich innerhalb der Referenzbereiche des jeweiligen Labors liegen. 
Diese Blutabnahme ist einmalig und findet in den folgenden Zyklen nicht mehr statt! 

Tag 28: Die Blutabnahme der Elektrolyte (Natrium- und Kaliumwert) zur Wirkdauer-Kontrolle. Falls Kalium an Tag 28 unter dem mittleren Referenzbereich liegt, Zycortal® nicht nachdosieren, auch nicht mit niedriger Dosis. Stattdessen werden die Elektrolyte alle 7 Tage bestimmt, bis das Kalium  knapp oberhalb des mittleren Referenzwertes liegt(jedes Labor erstellt eigene Referenzwerte). Pro 7 Tage Wartezeit zieht man 10% der Starterdosis ab aber nie mehr als 50 %, auch wenn es länger als 5 Wochen dauert und injiziert mit dieser reduzierten Dosis.

Dann beginnt der 28-Tage-Rhythmus erneut.

Die Umstellung von Mineralokortikoid-Tabletten auf Zycortal®

Manche Tierärzte/Tierärztinnen möchten jetzt, da es mit Zycortal® ein hundespezifisches Medikament zur Behandlung des Mineralokortikoidmangel gibt, ihre Morbus Addison-Patienten auf dieses Depotpräparat umstellen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, juristisch betrachtet handelt der Tierarzt hierbei korrekt. Ein Beharren auf die weitere Verabreichung  des Humanpräparat Astonin H® muss daher zwangsweise ins Leere laufen, da der Tierarzt zur Verantwortung gezogen wird,- nicht der Anwender! Wichtig: Da Astonin H® auch eine geringe glukokortikoide Wirkung besitzt, Zycortal ® aber nicht, muss das verabreichte Glukokortikoid um den Anteil erhöht werden, der durch das Absetzen von Astonin H® verloren geht. Die Gruppe bewertet den Anteil an Glukokortikoid aus einer Tablette Astonin H® mit 0,25 mg. Die Umstellung von Astonin H® auf Zycortal® obliegt dem Tierarzt / der Tierärztin. In unserer Gruppe wurde folgendes Schema  erfolgreich praktiziert: 

Tag 1: Es erfolgt die Verabreichung des Zycortal®, zusätzlich erfolgt die Astonin H®-Dosis wie bisher.

Tag 2: Astonin H® in halber Dosis und zusätzlich zu der üblichen Dosis des Glukokortikoid nun die Menge, die der Astonin H®-Menge entspricht. Hatte der Hund bislang noch kein Glukokortikoid erhalten, weil er allein mit dem Glukokortikoid aus dem Astonin H®  zurecht gekommen ist, so empfiehlt die Literatur zunächst initial mit 0,1 mg /kg Körpergewicht einzusteigen, um einer Unterversorgung vorzubeugen. Es kann aber auch durchaus reichen, tatsächlich nur die Glukokortikoid-Menge entsprechend dem Astonin H®-Gehalt zu ersetzen. Die Entscheidung hierüber muss der Tierarzt treffen.

Tag 3: Kein Astonin H® mehr, Glukokortikoid ab nun alle Tage wie an Tag 2.

Tag 10: Natrium- und Kaliumkontrolle, ob Zycortal® wirksam ist (Maximalwirksamkeit). Beide Werte sollen innerhalb der Referenzbereiche des jeweiligen Labors liegen. Diese Blutabnahme ist einmalig und findet in den folgenden Zyklen nicht mehr statt!

Tag 28: Die Blutabnahme der Elektrolyte (Natrium- und Kaliumwert) zur Wirkdauer-Kontrolle. Falls Kalium an Tag 28 unter  dem mittleren Referenzbereich liegt, Zycortal® nicht nachdosieren, auch nicht mit niedriger Dosis. Stattdessen die Elektrolyte alle 7 Tage bestimmen, bis das Kalium knapp oberhalb des mittleren Referenzwertes liegt. Pro 7 Tage Wartezeit zieht man 10% der Starterdosis ab und injiziert mit dieser reduzierten Dosis. Dann beginnt der 28-TageRhythmus erneut.